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Performance-cum-Symposium

22. Juni, 2013
Werkstatt der Kulturen, Wissmannstr. 32, 12049 Berlin
Eintritt frei

17 Uhr Margam-Performance mit Eva Isolde Balzer
Künstlerische Leitung, Konzeption, Organisation:
Rajyashree Ramesh
Assistenz: Eva Isolde Balzer
Dramaturgie: Dr. Avanthi Meduri
Tanz: Eva Isolde Balzer
Nattuvangam: Rajyashree Ramesh
Gesang: Manickam Yogeswaran
Percussion/Mrdangam: R.N.Pratap
Violine: Paramalingam Senthil
Percussion/Ghatam, Morsing: Ampalavanar Srinivasan

19 Uhr Symposium: Art and Embodiment – Looking beyond Exoticism
Geladene Referent_innen: Prof. Shivaprakash (Director, Tagore Centre der Indischen Botschaft), Ashish Mohan Khokar (indischer Tanzkritik, Tanzhistoriker), Dr. Avanthi Meduri (indische Tanzhistorikerin), Prof. Martin Puttke (ehem. Ballettdirektor der Deutschen Staatsoper Berlin und des "aalto ballett theater essen").

Mit freundlicher Unterstützung der Werkstatt der Kulturen.

Werkstatt der Kulturen


Ein Performance-cum-Symposium am 22. Juni 2013 bietet eine kritische Auseinandersetzung mit dem Blick, von dem aus Bharatanatyam in Deutschland/Europa betrachtet wird. Sie ist eine Begegnung der aus Indien stammenden Lehrerin Rajyashree Ramesh mit ihrer deutschen Schülerin Eva Isolde Balzer.


Bharatanatyam – das klassische Indische Tanztheater findet man heute fast weltweit. Janet O'Shea schreibt:

"One of the most popular and widely performed dance styles in India and around the world, bharata natyam has made the transition from its beginnings in the temples and courts of southern India to a highly respected international dance practice."*

Ist das so? Unsere Erfahrung mit dem Tanz in Berlin und Deutschland zeigt ein anderes Bild: Auf angesehenen Bühnen findet man ihn hier kaum. Marginalisiert als "kultur-spezifisch", "ethnisch" oder "exotisch" und in der Phantasie der Zuschauer bestenfalls ein bewundertes Relikt einer "faszinierenden" Kultur, findet er in der klassischen und zeitgenössischen deutschen Tanzszene kaum Beachtung. Die Auseinandersetzung oder der akademische Diskurs bleibt meist eurozentrisch, gar orientalistisch.

*  Janet O'Shea_ Bharata Natyam on the Global Stage. At home in the world. Umschlagseite.


Die Performance

Das Gerüst der Performance ist der margam - die klassische Aufeinanderfolge von Tanzstücken, die in der Bharatanatyam-Praxis als choreographische Grundstruktur gesehen wird. Die erste Aufführung eines margams markiert für Tänzer-innen den Ausbildungsabschluß. Historisch gesehen präsentieren Lehrmeister_innen bei einem solchen Arangetram genannten Tanzdebüt ihre bühnenreife Schüler_innen zum ersten Mal öffentlich. Die normalerweise von der Familie der Schüler durchgeführte Veranstaltung beinhaltet neben der Aufführung des margams mit Live-Musik-Begleitung aus Percussion, Gesang und Flöte bzw. Violine auch soziokulturelle Elemente wie eine Rede eines angesehenen Tanzexperten, eine Pause mit Verköstigung des Publikums, Dank-Sagung der Tänzer_in und/oder deren Familie, weitere Reden geladener Gästen, usw. Meist handelt es sich dabei um Praktiken, die sich im Laufe des 20. Jhdt. etabliert haben. Der Lehrmeister/die Lehrmeisterin wird bei dem Anlass gewürdigt.

Die Erstaufführung von Eva Isolde Balzer am 22. Juni wird vielmehr auf den Tanz selbst und dessen Relevanz und Praxis auch im europäischen Kontext fokussieren - v.a. aus einer künstlerischen Perspektive. Es wird auf einige dem künstlerischen Verständnis nicht relevanten Elemente verzichtet. Zum ersten Mal gehört stattdessen ein Symposium dazu, bei dem die üblichen Reden in Form einer Diskussion mit geladenen Referent_innen und Publikum am Ende der Veranstaltung stattfinden. In Anbetracht der Wortbedeutung - margam bedeutet Pfad oder Weg – wird dargelegt wie dieses Repertoire als einen Weg der Transformation und übersetzung für die Tanzenden verstanden werden kann. Unter der Dramaturgie der indischen Tanzhistorikerin Avanthi Meduri werden außerdem die Choreographien z.T. nach nicht mehr praktizierten historischen Präsentationsformen dargeboten. Dadurch wird offenbart, wie der Tanz eigentlich einen sich stets verändernden Historizität unterworfen ist, dessen Moderne in Indien bereits im 19. Jhdt. begonnen hat.


Der Hintergrund

Eva Isolde Balzer lernt seit 2006 in der Academy von Rajyashree Ramesh. Ihre kritische Auseinandersetzung mit der Rezeption des Tanzes ist genährt durch ihre Erfahrungen als professionelle zeitgenössische Performerin/Regisseurin und einem Studium der Sozial- und Kulturanthropologie. Sie untersucht selbstkritisch die eigene Praxis, macht sich auf die Spur von exotisierenden und orientalisierenden Aspekten in ihrer Auseinandersetzung und hinterfragt die eigene Position als weiß positionierte Tänzerin.

Rajyashree Ramesh lenkt den Blick auf wissenschaftliche Erkenntnisse und zeigt Bharatanatyam trotz oder gerade wegen des langen kulturhistorischen Entwicklungsprozesses als eine ausgefeilte und zeitrelevante Tanztheaterform. Als eine von Wenigen setzt Rajyashree ihre Tanzpraxis und Forschung dem eurozentrischen Bild des Tanzes entgegen. Sie lebt und lehrt Bharatanatyam in Berlin seit über 30 Jahren. Bedingt durch diese kultur-übergreifende Auseinandersetzung mit Tanz interessiert sie v.a. das im Tanz inhärente Wissen um den Menschen als bewegende, fühlende und denkende Wesen. Seit 10 Jahren erforscht sie die auf Bewegungswissen basierenden Strukturen des Tanzes, spürt die Vereinbarkeit der tanzpraktischen und tanztheoretischen Erkenntnisse aus dem indischen Subkontinent mit den Erkenntnissen aus Gesten-, Emotions- und Kognitivlinguistikforschung auf und untersucht vor allem wie der Tanz die Sinn gebenden Eigenschaften des Menschen hervorhebt. Sie bringt ihr Wissen als Bewegungsanalytikerin nach Laban-Bartenieff und als Bewegungsforscherin wiederum in ihrer Lehr- und Bühnentanztätigkeit. Nach einer fast 40-jährigen Berufserfahrung widmet sie im Augenblick ihre Aufmerksamkeit der Einbettung des Tanzes im akademischen Diskurs. Während ihrer Masterarbeit zum Thema: "From Mimesis to Empathy – Relating Gesture to Emotion" und Doktorarbeit zum Thema "Kinesthetics of Embodied Meaning Making Processes" an der Europa University Viadrina hat sie das Hervorbringen emotional-körperlichen Ausdrucks ihrer Schülerin Eva Isolde Balzer analysiert.

 

Rajyashree Ramesh, klassischer indischer Tanz